Aktuelle Herausforderungen für Unternehmen, die kompensieren möchten
(Stand 06.04.2022)
Warum sollte man überhaupt kompensieren?
Je mehr CO2 ausgestoßen wird, desto schädlicher ist es für unser Klima. Im Pariser Abkommen wurde 2015 vereinbart, dass die Erderwärmung deutlich unter 2°C gehalten werden soll. Für einen wirkungsvollen Klimaschutz gilt es daher, Emissionen generell zu vermeiden oder weitestgehend zu reduzieren, z.B. durch die Umstellung auf eine CO2-arme Mobilität. Erst danach kommt für die verbleibenden Emissionen eine Kompensation in Betracht. Hierbei lassen sich nicht vermeidbare Emissionen durch CO2-Einsparungen in einem anderen Klimaschutzprojekt ausgleichen. Dieser Ausgleich erfolgt durch sogenannte Emissionsminderungsgutschriften, d.h. Zertifikate. Bei Klimaschutzprojekten handelt es sich um zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen, betont auch das Umweltbundesamt. Generell gilt, Vermeiden, reduzieren, kompensieren.
Bei der UN-Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015 einigten sich 197 Staaten auf ein neues, globales Klimaschutzabkommen. Gemeinsames Ziel ist es, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung die Klimaschutzvorgaben verschärft und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Bereits bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken.
Wo finden Unternehmen Basisinformationen zur CO2-Kompensation?
Das UBA hat einen Leitfaden bzw. Ratgeber erstellt, worauf bei der CO2-Kompensation zu achten ist (Stand Juli 2018). Hier findet LeserInnen Informationen darüber, wie der freiwillige Markt funktioniert und welche Qualitätsstandards wie Zusätzlichkeit es gibt. Die Vielzahl von Kompensationsprojekten als auch Labels für Zertifikate stellen NutzerInnen vor eine Herausforderung.
Die aktuellsten Informationen zum Thema freiwillige Klimaschutzkompensation finden Unternehmen bzw. die interessierte Öffentlichkeit unter bei der Deutschen Emissionshandelsstelle unter https://www.dehst.de/DE/Klimaschutzprojekte-Seeverkehr/Freiwillige-Kompensation/freiwillige-kompensation_node.html
Warum müssen Klimaschutzprojekte das Kriterium der “Zusätzlichkeit” erfüllen?
Quelle Umweltbundesamt: „Projekte zur Minderung von Treibhausgasen müssen sicherstellen, dass ihre Reduktion, Vermeidung oder Speicherung von Emissionen zusätzlich ist. Das bedeutet, dass die Klimaschutzmaßnahme des Projekts ohne die zu erwarteten Erlöse aus dem Verkauf der Zertifikate nicht stattgefunden hätte.“ In der Praxis gibt es durchaus Diskussionen, wann dieses Kriterium erfüllt ist. Das UBA empfiehlt daher, z.B. Projekte auszuwählen, die nach dem Gold Standard zertifiziert sind.
Was ist der Unterschied zwischen dem verpflichtenden und freiwilligen Markt?
Der CO2-Handel wird für freiwillige oder verpflichtende Emissionen genutzt.
In Deutschland umfasst der verpflichtende Markt das Europäische Emissionshandelssystem (EU ETS) sowie das Nationale Emissionshandelssystem. Das Europäische Emissionshandelssystem verpflichtet seit 2005 alle großen Anlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme zur Teilnahme. Außerdem müssen auch große Industrieanlagen wie Stahlwerke, Raffinerien und Zementwerke sowie – seit 2012 – Luftfahrzeugbetreiber Berechtigungen für ihre Emissionen vorweisen (Quelle: https://www.bmuv.de/themen/klimaschutz-anpassung/klimaschutz/emissionshandel).
Ab 2021 wird in Deutschland darüber hinaus ein ergänzendes Emissionshandelssystem für nahezu alle übrigen CO2-Emissionen eingeführt, die durch Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas entstehen. Dadurch gilt auch im Straßenverkehr und beim Heizen ein CO2-Preis. Die Pflicht zur Abgabe von Emissionsberechtigungen betrifft allerdings nicht etwa Autofahrer oder Wohneigentümer. Sie liegt grundsätzlich bei den sogenannten „Inverkehrbringern“, also bei den Unternehmen, die Diesel, Benzin und Co. erstmals in Deutschland verkaufen (Quelle: https://www.bmuv.de/themen/klimaschutz-anpassung/klimaschutz/emissionshandel).
Eine freiwillige Kompensation bezieht sich auf die kollektiven Transaktionen von CO2-Gutschriften, die von Unternehmen genutzt werden, um ihre freiwilligen Klimaziele zu erreichen.
Wieso gibt es so unterschiedliche Preise bei den CO2-Zertifikaten?
Zum einen beeinflussen die Qualität und Größe eines Klimaschutzprojektes den Preis stark, weshalb es zu Preisschwankungen innerhalb eines Standards kommen kann. Zudem ist es günstiger, in weniger entwickelten Ländern die gleiche Menge CO2 zu reduzieren als in industrialisierten Ländern. Weitere Einflussfaktoren sind das Alter der Zertifikate sowie die Höhe der Nachfrage nach bestimmten Projekttypen oder Standorten. Auch ausschlaggebend ist das Volumen, das gekauft wird. Wie im Groß- und Einzelhandel auch, ist der Stückpreis günstiger, wenn große Mengen aufgekauft werden. Der Preis eines Kompensationszertifikats setzt sich daher aus vielen Faktoren zusammen (Quelle UBA, Seite 21).
Warum ist Doppelzählung eine Herausforderung, die man bewältigen muss?
Eine Doppelzählung von Emissionsreduktionen liegt vor, wenn eine einzelne Emissionsreduktion mehr als einmal verwendet wird, um Klimaschutzziele zu erreichen. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn zwei Emissionszertifikate für die gleichen Emissionsreduktionen ausgestellt werden und beide verwendet werden, um Klimaziele zu erreichen. Ein anderer Fall von Doppelzählung wäre, wenn sowohl der Nutzer eines Emissionszertifikats (z.B. ein Unternehmen) als auch das Land, in dem die Emissionsminderungen des Emissionszertifikats stattgefunden haben, die Emissionsminderungen geltend machen: das Land, indem es niedrigere Emissionswerte meldet, wenn es den Fortschritt in Richtung seines NDC verfolgt, und der Nutzer des Emissionszertifikats, indem er behauptet, dass die Umsetzung der Emissionsreduktionen unterstützt haben (S. 44 UBA-Leitfaden). Bislang wurden CO2-Emissionen häufig über Projekte im globalen Süden kompensiert, da im Rahmen des Kyoto-Protokolls die Entwicklungs- und Schwellenländer keine eigenen Emissionsziele hatten und somit eine Doppelzählung ausgeschlossen werden konnte.
Warum ist Doppelzählung zukünftig eine Herausforderung auch für Klimaschutzprojekte im globalen Süden?
Mit dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls hat sich die Situation dahingehend geändert, dass nun auch Entwicklungs- und Schwellenländer, in denen bislang häufig viele Klimaschutzprojekte umgesetzt werden, nun eigene CO2-Reduktionsziele gesetzt haben. Aktuell regelt nun Artikel 6 des Pariser Abkommens (PA) den „Mechanismus zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen und zur Förderung nachhaltiger Entwicklung“. Die Verabschiedung eines Regelwerks zur Umsetzung von Artikel 6 steht allerdings noch aus. Unter anderem heißt es darin, „die Beteiligung des öffentlichen und des privaten Sektors an der Umsetzung der national festgelegten Beiträge zu verbessern“ (PA 6.8.b). Aus Artikel 6.5 PA, lässt sich ableiten, dass das Thema Doppelzählung zukünftig die Kompensationsprojekte im globalen Süden treffen wird, da Schwellen- und Entwicklungsländer nun selbst Emissionsminderungsziele haben – die Debatte dazu findet derzeit statt. Die Beschlüsse der Glasgow Climate Change Conference COP26 sind hier abrufbar.
Was wurde beim COP26 beschlossen?
Es soll neue CO₂-Gutschriften, sogenannte Paris Agreement Adjustment Units (PAAU) geben. Mit ihnen verpflichten sich die Verkäufer, die verkauften Zertifikate nicht doppelt zu werten (Doppelzählung).
Allerdings kam es zu keiner Regelung für den sogenannten freiwilligen Markt, hier sind die Standards weiterhin ungeklärt. Zertifikate, die nach 2013 geschaffen wurden (also unter dem Kyoto-Protokoll) dürfen wieder gehandelt werden. Die Beschlüsse der Glasgow Climate Change Conference COP26 sind hier abrufbar.
Dürfen CO₂ -Reduktionsmaßnahmen innerhalb Deutschlands oder Europa überhaupt als Klimaschutz-Zertifikate ausgegeben werden?
Aktuell (Stand Dezember 2021) spricht nach den Recherchen von AfB nichts dagegen, auch wenn vielerorts eine andere Auffassung besteht. In einem direkten Dialog mit dem UBA über mehrere Monate konnte das UBA keine Rechtsquelle nennen, die dies nicht erlauben würde. Hier gilt es weiterhin die Entwicklungen auf der EU-Ebene, konkret zu Paris 6.4 und zu den PAAUs zu beobachten.
Auch gibt es Beispiele von Klimaschutzprojekten innerhalb von der EU bzw. Deutschlands (Kunststoffrecycling in Rumänien nach Goldstandard, MooreFutures – selbst als Beispiel im UBA-Leitfaden genannt, fortomorrow), die glaubwürdige Kompensationsprojekte anbieten.
Southpole, die ausschließlich im globalen Süden Klimaschutzprojekte anbieten, sehen aktuell eine Unschärfe in der Regulierung.
Gibt es Argumente dagegen, überhaupt zu kompensieren?
Die Science Based Targets Initiative erlaubt keine CO2-Kompensation, um die Unternehmensziele zu erreichen. Offsets werden nur als Option für Unternehmen angesehen, die zusätzliche Emissionsreduktionen über ihr wissenschaftsbasiertes SBT-Ziel oder Netto-Null-Ziel hinaus finanzieren möchten. https://sciencebasedtargets.org/faqs#does-the-sbti-accept-all-approaches-to-reducing-emissions
Laut einer Studie von New Climate (noch unveröffentlicht) sollen in Zukunft sog. Contribution Claims CO2-Zertifikate ablösen. Mit Contribution Claims können Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen, Klimaschutzprojekte unterstützen und darüber berichten, aber nicht als unternehmenseigene CO2-Kompensationen (CO2-Bilanz) anrechnen. Sie würden damit einen Beitrag zum Klimaschutz im Allgemeinen.
Weitere Informationen: Fearnehough et al. (2020) ‘Future role for voluntary carbon markets in the Paris era’. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/future-role-for-voluntary-carbon-markets-in-the
Weiterführende Links
- NDCs
https://www4.unfccc.int/sites/ndcstaging/PublishedDocuments/Germany%20First/EU_NDC_Submission_December%202020.pdf - Klima Allianz
https://allianz-entwicklung-klima.de/wp-content/uploads/2021/03/studie2021-artikel-6-freiwilliger-markt-treibhausgas-kompensation.pdf - Pariser Abkommen
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:22016A1019(01)&from=DE